Gleich vorweg: Weder ätherisches Zitronenöl noch irgendein anderes ätherisches Öl enthalten Vitamine oder Mineralstoffe.
Vermutlich entstehen solche Irrtümer aus der Annahme, dass ätherische Öle ähnliche Inhaltsstoffe, Eigenschaften und Anwendungsbereiche haben, wie die Pflanzen, aus denen sie gewonnen werden:
Annahme: „Weil die Zitrone viel Vitamin C enthält, muss auch das ätherische Öl, das aus der Zitronen gewonnen wird, Vitamin C enthalten.“
Und weil ein angeblich hoher Vitamingehalt das Produkt so noch „sexyer“ macht, und es sich damit noch besser verkaufen lässt, wird dieser Mythos fleißig und unhinterfragt nach- und weitergeplappert.
Nun ist Vitamin C ja tatsächlich reichlich im Fruchtfleisch/Saft von Zitronen enthalten – und übrigens noch üppiger im weißen Teil der Fruchtschale (Albedo).
Und viele Öle-Enthusiasten wissen auch, dass Zitrusöle aus der Fruchtschale gewonnen werden. Das könnte den Schluss nahelegen, dass Vitamin C deshalb besonders reichlich im Zitronenöl enthalten ist.
Aus folgenden Gründen kann Vitamin C aber NICHT im ätherischen Zitronenöl enthalten sein (weder im gepressten noch im destillierten Öl):
Vitamin C ist wasserlöslich (und nicht öllöslich) und kann allein deshalb nicht in reinem Zitronenöl enthalten sein.
Das in Zitronen enthaltene Vitamin C ist im Saft des Fruchtfleisches und im weißen Teil der Schale (Albedo) enthalten. Dagegen ist Vitamin C aber KEIN Produkt der ÖLDRÜSEN, welche sich im äußeren, gelben Teil der Schale (Flavedo) befinden.
Bei der Ölgewinnung mittels „Pressung“ werden die Zitronen in Spike-besetzten Metalltrommeln (ähnlich einer Waschmaschine) herumgeschleudert und dabei werden Öldrüsen (Öl-Behälter) aufgebrochen. Das austretende Öl wird mit Wasser ausgewaschen und dann mittels Zentrifugation abgetrennt. Weil das Öl leichter als Wasser ist, lässt es sich leicht vom Wasser separieren.
Nun ist Vitamin C ohnehin nicht in den Öldrüsen des gelben Schalenanteils enthalten; und selbst Vitamin C aus dem restlichen Schalenanteil würde in diesem Vorgang nicht in das Öl übergehen, weil es ja nicht öllöslich, sondern wasserlöslich ist; d. h. es würde mit dem Wasser abgetrennt werden.
Hier findest du ein anschauliches Video von der Herstellung von „gepresstem“ Zitronenöl (du wirst darin auch sehen, dass es sich hier in Wahrheit um keine echte Pressung handelt). ;-)
Die Gewinnungsart von ätherischem Öl aus Zitrusfrüchten mittels „Pressung“ ist bei weitem die gebräuchlichste. Zitrusöle können aber durchaus auch durch Destillation der Fruchtschalen gewonnen werden.
Aber auch bei der Destillation kann das Vitamin C aus der Fruchtschale nicht in das ätherische Öl übergehen.
Vitamin C ist in heißem Wasser nicht beständig und würden den Destillationsvorgang nicht überstehen.
Im Übrigen bin ich mir nicht sicher, ob Ascorbinsäure (also das Vitamin C) nicht ohnehin zu schwer ist, um bei der Destillation mit dem Wasserdampf ins Kondensat überzugehen.
Aber selbst wenn das Vitamin C tatsächlich in das Kondensat übergehen würde, dann würde es als wasserlösliche Komponente mit dem Hydrolat abgetrennt werden.
Hier habe ich noch eine Aufstellung der Inhaltsstoffe von Zitronensaft und von Zitronenöl:
Zusammensetzung ZITRONENSAFT
- 84 – 93 % Wasser
- 5 – 9 % Zitronensäure
- 1 – 9 % Zucker
- < 1 % andere Säuren (v.a. Apfelsäure, außerdem: Ascorbinsäure und Phosphorsäure)
- < 1 % Mineralstoffe: Kalium, Calcium, Magnesium, Phosphor
- < 1 % Vitamine (v.a. Vitamin C: ca. 50 – 100 mg/100 ml)
- < 1 % ätherische Öle (ca. 0,01 %)
Anmerkung: Vitamin C = Ascorbinsäure
Zusammensetzung ZITRONENÖL
- 100 % ätherisches Öl*
- 0 % Zitronen-, Apfel-, Ascorbin-, Phosphorsäure
- 0 % Mineralstoffe
- 0 % Vitamine
* ÄÖ-Zusammensetzung im Detail:
- 90 – 95 % Monoterpene (v.a. Limonene)
- 3 – 10 % Monoterpenaldehyde (v.a. Citral)
- bis 3 % Monoterpenalkohole
- ca. 1,5 % Cumarine (v.a. Furocumarine)
- ca. 1,3 % Sesquiterpene
Anmerkung: ÄÖ-Bestandteile sind ca. 0,01 %ig auch im Zitronensaft enthalten; die Zusammensetzung ist dabei ähnlich wie der des ätherischen Öls aus der Schale.
Der Mythos vom Vitamin-C-reichen Zitronenöl hält sich leider hartnäckig und taucht jährlich rechtzeitig zum Frühlingsbeginn auf, wenn Detox- und Entschlackungskuren wieder Hochsaison haben.
Verbreitet wird dieser Mythos scheinbar oft im Zuge von der – meiner Meinung nach – fragwürdigen Anwendungsempfehlung, mehrere Tropfen Zitronenöl in einem Glas Wasser zu sich zu nehmen. Und das am besten täglich. Das würde beim Entgiften und Entschlacken helfen.
Gegen so ein Tröpfchen zur Aromatisierung ist ja auch nichts einzuwenden. Bei mehreren Tropfen werden sich auf Dauer die Schleimhäute womöglich mit Reizungen „bedanken“.
Hier findest du mehr Gedanken zur inneren Einnahme von ätherischen Ölen und die Dos and Don’ts zu dieser Praxis.
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Ätherische Öle Sicherheit von A bis Z: So vermeidest du Nebenwirkungen
Damit wünsche ich dir
Quellen:
Buch: Praxis Aromatherapie; Grundlagen – Steckbriefe – Indikationen; Monika Werner, Ruth von Braunschweig, 3. Auflage, Haug Verlag
Buch: Obst, Gemüse, Kartoffeln, Pilze: 2. Teil, von E. Benk, A. Th. Czaja, W. Bötticher, H. Drews, J. Gutschmidt, K. Herrmann, A. S. Kovacs, F. Martens, H. Mohler, P. Nehring, F. Reiff, H. Sulser; 1968, Springer Verlag,
Essential Oil Constituents in Citrus Juice: https://tisserandinstitute.org/learn-more/citrus-juice/ (Abgerufen am 15.3.2022)
Wikipedia/Zitrone: https://de.wikipedia.org/wiki/Zitrone (Abgerufen am 15.3.2022)
Wikipedia/Heiße Zitrone: https://de.wikipedia.org/wiki/Hei%C3%9Fe_Zitrone (Abgerufen am 15.3.2022)
1 Kommentar
CRAMER - Pellemeyer
28. März 2022finde das alles sehr intressant
Ich freue mich auf deinen Kommentar!