Mythos #8: Die beste Qualität ätherischer Öle kommt aus der „ersten Pressung“ oder ersten Destillation des Pflanzenmaterials.
Dieser Artikel wurde von Dr. Robert Pappas von essentialoils.org verfasst und von mir aus dem Englischen übersetzt.
Wenn du den Begriff „erste Pressung“ verwendest, muss ich zunächst sagen, dass du hinsichtlich deines Wissens über ätherische Öle noch einiges aufzuholen hast. Die meisten ätherischen Öle sind wasserdampfdestilliert. Tatsächlich liegt das der eigentlichen Definition von ätherischen Ölen zugrunde.
Die einzigen Öle, die unter die Bezeichnung „ätherische Öle“ fallen, aber nicht durch Wasserdampfdestillation gewonnen werden, sind Zitrusöle.
Diese werden aus den Zitrusschalen kaltgepresst (und wenn das ordentlich gemacht wird, dann ist da kein Öl mehr für eine zweite Pressung übrig. :-)
Wenn also jemand von ätherischen Ölen aus sogenannter „ersten Pressung“ spricht, dann bezieht er sich nicht einmal auf die eigentliche Methode der Herstellung fast aller ätherischen Öle, weil fast jedes Öl durch Destillation und nicht durch Auspressen gewonnen wird. Bitte vermeide den Begriff „Auspressen“, außer du willst wie ein totaler Anfänger in diesem Gebiet klingen.
Bei der Herstellung von ätherischen Ölen wird der Begriff KALTGEPRESST oder AUSGEPRESST nur für die Produktion von Zitrusölen verwendet (einige Zitrusöle werden auch destilliert, aber das ist eine andere Geschichte). Das bringt uns zu dem Thema der angeblichen „Mehrfachdestillation“ von Pflanzenmaterial. Schauen wir uns einmal diese Aussage eines beliebten Blogs an:
„Dass Pfefferminze eine höhere Öl-Ausbeute als die meisten anderen Öle hat, macht es zu einer interessanten Pflanze. Große Anbauer und Destillierbetriebe gewinnen daher eine Menge Öl aus der Pfefferminz-Pflanze.
Kleinere Betriebe führen eine erste Destillation der Pfefferminze durch und verkaufen das Öl zu einem Höchstpreis an Ölfirmen. Die Pfefferminze werde dann noch einmal unter einem höheren Druck und einer höheren Temperatur destilliert, um ein zweites Destillat zu erhalten. Das daraus gewonnene Öl wird für einen geringeren Preis an Seifenhersteller u. ä. verkauft. Diese wollen ein preisgünstigeres Öl, das aber noch immer leicht nach Kräutern riecht.
Das Pflanzenmaterial wird dann noch ein weiteres Mal bei einer noch höheren Temperatur und unter einem noch höheren Druck für ein drittes Destillat destilliert. Dieses wird an Firmen verkauft, die einen “Zuckerstangen-Duft“ brauchen.“
Auch wenn das jetzt etwas hart klingt, aber das ist kompletter UNSINN! Ich selbst komme aus Indiana, das einer der größten Minze produzierenden US-Staaten ist. Ich habe bei vielen Gelegenheiten Minze-Destillerien und Minze-Anbauer besucht. NIEMAND DESTILLIERT DIESELBEN MINZEBLÄTTER MEHR ALS EINMAL!
Die Pflanze wird grundsätzlich 2 Stunden destilliert und fertig; wenn dann kein Öl mehr herauskommt, wird die Destillieranlage abgestellt.
Es ist absolut lächerlich zu denken, dass der Destillateur, der beobachtet, dass kein Öl mehr herauskommt, die Destillieranlage abstellt, und sich später denkt: „Hmm, ich wette, wenn ich die Destille noch einmal anwerfe (und dabei wertvolles Heizmaterial und Arbeit verschwende), dann können wir noch etwas Öl aus den verwendeten Minzblättern herausholen, die wir gestern destilliert haben.“ Wie kommen Leute nur auf solche Ideen!!??
Nun kann und wird Minzöl (Gott sei Dank) oft weiter destilliert und/oder einer fraktionierten Vakuumdestillation unterzogen, um die Qualität des ganzen Öls durch das Entfernen von übelkeitserregenden Bestandteilen weiter zu verbessern (nur winzige Mengen an sehr schlecht riechenden Bestandteilen werden durch diesen Vorgang entfernt).
Aber NIEMAND destilliert das Pflanzenmaterial der Minze ein zweites oder drittes Mal. Das ist generell nicht nur bei Minze der Fall, sondern bei ätherischen Ölen aus Wasserdampfdestillation im Allgemeinen.
Als ich das der Person, die diesen Blödsinn gepostet hatte, zu erklären versuchte, hat sie es mir einfach nicht geglaubt, weil sie ihre „Nachforschungen“ aus Gesprächen mit Öleverkäufern scheinbar für glaubwürdiger hielt. Wenn die Leute nur ihren Hausverstand benutzen würden, dann könnten sie den Schluss ziehen, dass das alles einfach keinen Sinn macht.
Aus Sicht des Energieverbrauchs gesehen: Warum sollte jemand den Destillierprozess abbrechen, um ihn dann später wieder zu starten? Die Energie, die nötig ist, um riesige Mengen Wasser zum Kochen zu bringen und genug Wasserdampf zu erzeugen, um das Öl aus großen Mengen an Pflanzenmaterial herauszulösen, ist erstaunlich – und teuer.
Warum also nicht einfach weiterdestillieren und das Öl vom Ende des Destillationsprozesses in einem separaten Behälter sammeln, wenn du meinst, dass die Ölqualität am Ende der Destillation anders ist? Übrigens wird das bei Ylang Ylang-Öl so gemacht, deshalb gibt es davon verschiedene Qualitäten – extra, I, II, III und komplett).
Aber abgesehen von Ylang Ylang werden fast alle ätherischen Öle, die durch Wasserdampfdestillation gewonnen werden, in einer gemeinsamen Charge gesammelt. Und das einzige Mal, dass ich jemals gesehen hätte, dass eine Destille abgeschaltet wurde, um sie dann später wieder anzuwerfen, war wegen eines technischen Problems, etwa weil der Brennstoff aus war, oder weil der Prozess zu ermüdend war (z. B. kann bei Sandelholz nach einem Destillationsprozess von mehr als 24 Stunden immer noch Öl im Holz sein).
Ich hoffe, dass diese Erklärung diesen Mythos, der seit Jahrzehnten herumschwirrt, so weit beschädigt, dass wir ihn endlich zum Verstummen bringen können. Bitte teile diesen Artikel mit so vielen Leuten wie möglich und ermahne mit Bestimmtheit jeden, der weiterhin behauptet: „Meine Öle stammen aus ERSTER Destillation“. Genau mein Freund, genau wie die aller anderen. LOL.
Dieser Artikel wurde von Dr. Robert Pappas von essentialoils.org verfasst und von mir aus dem Englischen übersetzt. Den Originaltext kannst du hier (klick) nachlesen.
Über den Autor:
Dr. Robert Pappas ist Chemiker und der Gründer, Präsident und Technische Direktor der Essential Oil University (EOU).
EOU hat sich auf GC/MS-Analysen von ätherischen Ölen spezialisiert und verfügt über die weltweit größte Sammlung von Referenzanalysen, Literaturreferenzen und GC/MS Analysen von fast jedem Öl.
Die Essential Oil Chemical Reference Database von EOU kannst du kostenlos nutzen. Das Ziel der EOU-Website www.essentialoils.org ist es, akkurate Information und Wissen über ätherische Öle zu vermitteln. Auch auf seiner beliebten Facebook-Seite informiert er über die Welt der ätherischen Öle. Er hat es sich außerdem auf die Fahne geschrieben, mit Mythen aufzuräumen, die seit Jahren über ätherische Öle zirkulieren.
Welche Mythen über ätherische Öle sind dir schon untergekommen? Ich freue mich auf „Gschichtln“ in den Kommentaren unter diesem Blogpost!
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